Epilepsie bei Katze und Hund

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Wenn das Gehirn verrückt spielt" - Epilepsie bei Hund und Katze

Epilepsie kann auch unsere Haustiere befallen. Aber Epilepsie ist nicht gleich Epilepsie. Die Formen und Ursachen dieses Anfallsleidens können unterschiedlich sein. Unter Epilepsie versteht man abnorme elektrische Entladungen in Teilen des Gehirns; man spricht auch von einem "Gewitter" im Gehirn.Im Vergleich zu Hunden leiden Katzen selten an der so genannten primären Epilepsie, d.h. einer Epilepsie, bei der die Ursache unbekannt ist. Sekundäre Epilepsien, die von einer organischen bzw. stoffwechselbedingten Störung verursacht werden, kommen bei beiden Spezies ungefähr gleich häufig vor. Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass Katzen häufig an einer nichtkrampfenden Form leiden. Das ist der Grund, warum eine Epilepsie bei der Katze oft nicht erkannt wird.Man unterscheidet generalisierte und partielle epileptische Anfälle.

Der klassische generalisierte Anfall wird bei Hunden häufiger gesehen als bei Katzen. Oftmals treten epileptische Anfälle bei Hunden auf, wenn sie schlafen bzw. sich in entspanntem Zustand befinden. Manchmal können jedoch Aufregung oder besondere emotionale Ereignisse die Epilepsie hervorrufen. Der Verlauf kann bei dieser Form dreigeteilt sein. Dreigeteilt heißt, es gibt Vorboten für einen Anfall, die sich überwiegend in Wesensveränderungen zeigen (Aura), darauf folgt der eigentliche Anfall (Grand mal), dem sich eine Nachanfalls-Phase mit unterschiedlichen Erscheinungsbildern anschließt.Ein Anfall beginnt damit, dass das Tier plötzlich umstürzt, das Bewusstsein verliert und Krämpfe am ganzen Körper einsetzen. In dieser Phase beobachtet man zusätzlich Lautäußerungen, Speicheln, Aufrichten der Haare, Abgang von Kot und Harn, Kau- und Laufbewegungen und das zeitweise Aussetzen der Atmung. Die Dauer eines solchen Anfalls liegt meist zwischen einer halben und zwei Minuten. Solche Anfälle können bei Katzen sehr heftig verlaufen, so dass Selbstverletzungen im Gegensatz zum Hund keine Seltenheit sind.Nach einem Anfall (in der so genannten postiktalen Phase) können sich die Tiere entweder ganz normal verhalten, mehrere Stunden schlafen oder noch einige Stunden später unter verschiedenen Nerven-Problemen wie Desorientiertheit, Umherirren, abnormen Hunger, Teilnahmslosigkeit, Ataxie oder sogar Aggressivität leiden. Hört ein Krampfanfall von alleine nicht auf bzw. gehen mehrere Krampfanfälle ineinander über, liegt der lebensbedrohliche "Status epilepticus" vor. Dieser kann sich aus allen Formen der Epilepsie entwickeln (partiell, generalisiert, krampfend, nichtkrampfend). Gelingt es nicht, die Anfallkette mit Hilfe von Medikamenten zu durchbrechen, sind die Aussichten für das Tier schlecht.Katzen erleiden häufig milde generalisierte Anfälle (nichtkrampfend). Bei ihnen besteht die Gefahr, den Status epilepticus zu übersehen. Diese milden Anfälle äußern sich mit Bewusstseinstrübung, beidseitiger leichter Aktivität von Muskelgruppen ohne Verlust der Stehfähigkeit, erweiterten Pupillen und Zuckungen im Kopfbereich (Augenlider, Schnurrhaare, Ohren). Hinzu kommen kann Schütteln des Kopfes bzw. des ganzen Körpers. Speicheln und Urinabsatz werden hierbei seltener gesehen. Liegt eine lokalisierte Schädigung eines Gehirnareals vor, z.B. durch Trauma, Tumor oder Infektion, können partielle Anfälle auftreten. Das klinische Bild besitzt eine große Variationsbreite. Man unterscheidet zwischen einfachen und komplexen partiellen Anfällen. Bei ersteren kommt es ohne Verlust des Bewusstseins zu Krämpfen einzelner Muskelgruppen oder zu ruckartigem Biegen des Körpers zu einer Seite

.Bei der komplexen Form, die bei Katzen im Vergleich zum Hund oft auftritt, können neben dem usammenziehen einzelner Muskelgruppen Störungen, wie z.B. Juckreiz, Bewusstseins- und Verhaltensveränderungen, bzw. Halluzinationen, vorliegen. Man beobachtet dann einen glasigen Blick, das Verfolgen und Anfauchen imaginärer Gegenstände, Fliegenschnappen, plötzliches Aufschrecken und Umherrennen, etc. Manchmal gehen solche Anfälle in die generalisierte Form über

.Die Ursachen einer Epilepsie sind sehr vielfältig: Man unterscheidet zwischen der primären und der sekundären Epilepsie: Von einer primären (idiopathischen) Epilepsie spricht man, wenn keine organischen Veränderungen im Gehirn oder Stoffwechselstörungen vorliegen. Primäre Epilepsien treten bei Hunden überwiegend zwischen dem ersten und dritten (fünften) Lebensjahr erstmalig in Erscheinung. Diese Form kann bei Hunden familiär gehäuft auftreten. Bei der sekundären Form können Störungen im Gehirn (kranielle Form) oder Störungen außerhalb des Gehirns (extrakranielle Form) die Verursacher sein. Ist die Ursache im Gehirn zu suchen, so können Traumata, Tumoren (z.B. Meningiome), Hirnabszesse, Polyzytämia vera (eine Bluterkrankung), Speicherkrankheiten (Lipidose etc.), Infektionen (Staupe, FIP, FeLV, FIV) oder Parasitosen (Toxoplasmose) vorliegen.

Auch Vergiftungen lösen Krampfanfälle ausRecht häufig liegt die Ursache bei Katzen in einer Hirnhautentzündung (Meningitis). An zweiter Stelle steht bei dieser Spezies eine spezielle Durchblutungsstörung im Gehirn (cerebrale ischemic encephalopathy, FIE). Bei angeborenen Formen findet man bei Hund und Katze als Ursache häufig eine Wasserkopf (Hydrocephalus). Extrakranielle Ursachen können verschiedene Vergiftungen (z.B. Strychnin, Schneckenkorn, E 605) und Oberdosierung von Medikamenten sein. Des Weiteren spielen Stoffwechselstörungen eine Rolle. Es kann beispielsweise eine Schädigung der Nieren (Urämie), eine Schädigung der Leber (Hepatopathie), eine Unterzuckerung z.B. bei Pankreastumor, eine Störung des Elektrolythaushaltes oder ein Thiaminmangel vorlieg en. Liegen extrakranielle Ursachen vor, kommt es meist zu generalisierten Anfällen.

Was macht der Tierarzt?Ein Tierarzt ist umgehend aufzusuchen, wenn ein Anfall erstmalig auftritt oder länger als 2 Minuten dauert bzw. mehr als zwei Anfälle pro Tag auftreten. Er wird eine genaue Anamnese erheben, d.h., er wird fragen, wann die Anfälle auftreten, wie lange sie dauern, welche Symptome dabei auftreten und wie schnell sich das Tier danach erholt. Ideal ist es für den Tierarzt wenn ein Anfall auf Video aufgenommen vorliegt.Danach ist eine gründliche Allgemeinuntersuchung und Blutanalyse angesagt, wo festgestellt wird, ob eventuell Erkrankung n anderer Organe die Anfälle auslösen (s. sekundäre Epilepsie). Anschließend wird eine neurologische Untersuchung zeigen, ob noch weitere Defizite in diesem Bereich bestehen, was auf Schädigungen des Gehirns hindeuten kann. In Sonderfällen, z.B. bei Verdacht auf Hirnhautentzündung, ist eine Gewinnung von Hirnwasser (Liquorproduktion) angezeigt.Moderne Diagnosemethoden wie CT oder MRI können hilfreich sein, sind aber sehr teuer und nur bei hirnorganischen Schäden von Nutzen. Ein EEG ist bei Tieren i der Regel nicht sinnvoll, da diese Untersuchung nur unter Sedation (unter Beruhigungsmitteln) durchzuführen ist, was das Untersuchungsergebnis verfälscht.

Eine Behandlung ist dringend erforderlich, da jeder Anfall eine Hirnschädigung herbeiführen kann. Bleibt eine Epilepsie unbehandelt, so beteht die Tendenz, das die Anfälle mit der Zeit schlimmer werden und damit die Schäden, die sie verursachen.

Therapie:Die Wirksamkeit der Therapie hängt natürlich von der Ursache ab. Für das Vorliegen einer primären Epilepsie bzw. für eine symptomatische Therapie stehen Antiepileptika (z.B. Phenobarbital,Primidon, Kaliumbromid, Diazepam) zur Verfügung. Es gelingt mit ihnen in der Regel, die Anzahl und die Schwere der Anfälle zu mindern. Eine Heilung können Antiepileptika nicht herbeiführen.Das Einstellen der Katze auf die richtige Medikation ist noch schwieriger als bei Hunden und erfordert viel Geduld, da der Abbau der Medikamente in der Leber bei jedem Tier großen individuellen Unterschieden unterliegt. Aus diesem Grund muss von Zeit zu Zeit der Blutspiegel der Antiepileptika bestimmt und die Dosis ggf. korrigiert werden. In der Regel muss die Therapie lebenslang durchgeführt werden.Häufige Nebenwirkungen der Antiepileptika sind Sedation (Dämpfung), Appetitstimulation und Leberschädigung. Diazepam (Valium) wird aufgrund des Gewöhnungseffektes in der Veterinärmedizin nur dann eingesetzt, wenn Phenobarbital nicht wirkt, bzw. als Notfallmedikament, d.h. um einen akuten Anfall zu durchbrechen. Besitzer eines Epileptikers sollten daher Diazepam-Zäpfchen immer zur Hand haben.

von Dr. med. vet. Petra Ziemer (Quelle: "Ein Herz für Tiere" Heft 11/ 2001)

 



       
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